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Angriff auf trans Rechte in der Schweiz

Auch in der westlichen Welt geraten trans Menschen zunehmend unter Druck – insbesondere in den USA. Aber selbst in der Schweiz wollen SVP-Politikerinnen nun Einschränkungen durchsetzen. Die trans Community wehrt sich und wird dabei von Queeramnesty und anderen queeren Organisationen unterstützt. Unser Autor, ein trans Mann, erzählt, wie das bei ihm damals mit 15 genau lief. 


Text: Jared Barthel

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Es begann mit einer Medienmitteilung am 7. Juli 2025: Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) erklärte, dass es ihrer Meinung nach trans Jugendlichen erst nach dem 18. Lebensjahr möglich sein sollte, irreversible geschlechtsangleichende Massnahmen vorzunehmen. Diese Einschränkung solle auf Bundesebene verankert werden. Eine entsprechende Motion reichte die Zürcher SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel am 23. September ein.  

Darin wird gefordert, dass der Bundesrat geschlechtsangleichende Operationen in der Schweiz bei Minderjährigen gesetzlich stark einschränkt. Pubertätsblocker sollen zudem nur unter wissenschaftlicher Begleitung verabreicht werden.  

Begründet wird die Forderung damit, dass die Zahl geschlechtsangleichender Operationen bei Jugendlichen sich seit 2018 verdreifacht habe. Dass es sich dabei in Zürich um eine Steigerung von 0 auf 4 Fälle handelt, wird unterschlagen. 


Seltsam widersprüchliche Haltung 

Der Fokus auf eine so kleine Personengruppe scheint widersprüchlich, umso mehr als die Gegner*innen eines dritten Geschlechtseintrages jeweils argumentieren, dass es für so eine kleine Minderheit keine Gesetze bräuchte.  

In jedem Fall ist die Forderung diskriminierend; sie fokussiert ausschliesslich auf trans Jugendliche und setzt geschlechtsangleichende Operationen in ihrer Handhabung mit Schönheits-Operationen gleich.  

Vage formulierte Behauptungen skizzieren ein Szenario von Geschlechtsverstümmelungen an Kindern, die aus einer Laune heraus ohne Einverständnis der Eltern entschieden und später bereut werden. Dabei handelt es sich in fast allen Fällen um Mastektomien (die Entfernung von Brustgewebe), die an urteilsfähigen trans Jugendlichen vorgenommen werden. Und bereits jetzt werden solche Operationen in Zürcher Spitälern nur zurückhaltend und nach langwierigen Abklärungen vorgenommen.  


Die Community wehrt sich 

«Wenn das durchkommt, gehen wir davon aus, dass als nächstes die Abgabe von Hormonen an unter 18-Jährige angegriffen wird», sagt Jann Krauss vom Transgender Network Switzerland (TGNS). Er befürchtet, dass sich die Schweizer Politik damit zunehmend an den USA orientiert, wo aktuell auch hormonelle Verhütungen und Abtreibungen ins Visier der Konservativen geraten.  

Bereits nach Natalie Ricklis Medienmitteilung kamen innert kürzester Zeit 15'000 Unterschriften von Privatpersonen zusammen, die ihre Forderungen ablehnten. Und TGNS wird von zahlreichen Organisationen bei der Gegenwehr unterstützt, darunter auch Queeramnesty. Gemeinsam fordern wir eine gesetzliche Gleichbehandlung von trans Menschen und ein klares Nein zu verkappten Verboten unter dem Deckmantel der Forschung.  


Noch vor wenigen Jahren kein Thema 

Für mich als trans Mann, der eine geschlechtsanpassende Operation bereits mit 17 Jahren hatte und sie nie bereute, wirkt diese Debatte besonders enttäuschend. Anders als heute waren Transidentitäten vor zehn Jahren praktisch kein öffentliches Thema. Hochwertige Informationen gab es fast nur auf Englisch – und für die meisten war trans ein seltsames und seltenes Phänomen aus Film und Fernsehen.  

Das war im Vergleich zu heute wohl ein Segen, aber auch nicht ideal. So erfuhr ich erst mit 15 Jahren von der Existenz von trans Männern und begriff, dass es einen anerkannten Grund dafür gab, weshalb ich und die Jungen in meiner Klasse schon im Primarschulalter darüber witzelten, dass ich absolut nicht dafür geeignet war, ein Mädchen zu sein. Mein Unwohlsein in der Geschlechterrolle ergab plötzlich Sinn. Und das Gefühl von Stolz, wenn ich für einen jungen Mann gehalten wurde, liess sich erklären. 

Nach einem Jahr der Selbstzweifel und -anerkennung, des Recherchierens und des Vorbereitens präsentierte ich meine Befunde meiner Familie. Die Reaktionen umfassten ein Spektrum von Verwirrung, Angst und Ignoranz. Doch ich fühlte mich nie unsicher oder ungeliebt. Das Bedürfnis zu helfen war da, doch ich wurde nicht verstanden. Meine Mutter schleppte mich zu Ärzt*innen und Psycholog*innen. «Wir sind uns nicht sicher, ob sie ein Junge ist», lautete jeweils die Einleitung. Ich erinnere mich an den Tag, als sie diesen Satz einmal mehr sagte und die aufgesuchte Psychiaterin antwortete, dass ich mir wahrscheinlich sehr wohl sicher sei, wenn ich mich meiner Familie anvertraut habe. 


Operation nach ausgiebigen Abklärungen 

Danach wurde die Verwirrung nach und nach von Akzeptanz und Wertschätzung abgelöst. Als ich dann alle nötigen, auf Geschlechtsidentitäten spezialisierten Ärzt*innen und Psycholog*innen aufgesucht hatte, gab es keine grossen Hürden mehr: Die psychologischen Berichte wurden geschrieben, die Krankenkasse informiert, die medizinischen Massnahmen eingeleitet. Meine erste Testosteronspritze bekam ich noch mit 16, die Mastektomie fand bereits mit 17 statt. Ich war sozusagen der lebendige Albtraum von Natalie Rickli. 

Heute bin ich 25 und bereue diese Eingriffe nicht – wie laut zahlreichen Studien die grosse Mehrheit von trans Menschen. Und mag mir nicht ausmalen, in welcher psychischen Verfassung ich ohne sie wäre, da sie meine soziale Transition unterstützten, indem sie das aufgezwungene Outing oder Lügen bei jeder neuen Bekanntschaft überflüssig machten.  

Es ist nicht schön, sich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs Geschichten ausdenken zu müssen, wieso der Stimmbruch noch nicht eingesetzt hat oder weshalb man immer in einem T-Shirt schwimmen geht. Sich bei Unbekannten als trans outen zu müssen, ist zudem nicht immer ungefährlich, denn man weiss nie, wie das Gegenüber darauf reagieren wird – insbesondere angesichts der aktuell aufgeheizten Diskussionen zu dem Thema, die von gewissen Politiker*innen und Medien gezielt bewirtschaftet werden.  

Besonders unerträglich stelle ich es mir jedoch vor, in der heutigen, so aufgeklärten Zeit bereits im frühen Alter als trans zu identifizieren und zu wissen, dass man nichts gegen die irreversiblen Folgen der Pubertät machen kann, die ohne die medizinische Unterstützung garantiert einsetzen werden. Dazu kommt es, wenn die. von Nina Fehr Düsel auf Bundesebene angenommen werden. 


Die Verteidigung braucht Spenden und Engagement 

Der Angriff auf die Selbstbestimmung von trans Jugendlichen kommt jedoch nicht aus dem Nichts – wir sind schon seit Jahren mit viel Ablehnung und Hass konfrontiert. Die populäre britische Autorin JK Rowling erhält bereits seit 2019 viel Zuspruch für ihre transfeindlichen Aussagen. Auch das nicht auf transidente und intergeschlechtliche Menschen ausgeweitete Diskriminierungsverbot von 2020 zeigte, dass in der Schweiz viele eine Abneigung gegen diese Minderheit haben. Immerhin wurde in Zürich 2024 die Initiative ‘Tschüss Genderstern!' abgelehnt, die den Hass auf geschlechtsneutrale Sprache politisch durchsetzen wollte. Die nun eingereichte Motion ist also nur der jüngste Angriff gegen trans Menschen.  

Umso wichtiger ist es, dass wir nun den Kampf aufnehmen. Für eine starke und erfolgreiche Gegenwehr ist TGNS auf Spenden und engagierten Aktivismus angewiesen. So können zum Beispiel Briefe an Nationalrät*innen geschrieben oder das eigene Umfeld sensibilisiert werden. Jede kleine Unterstützung trägt dazu bei, diese transfeindlichen Pläne zu vereiteln. 

 

(Infokasten) Unterstützung für trans Menschen 

Du bist selbst trans und brauchst Hilfe in der aktuellen Lage? Neben TGNS (tgns.ch) gibt es einige weitere Stellen, die Unterstützung anbieten:  

Du-bist-du.ch ist eine Beratungsstelle, bei der du dich mit jungen Peer-Berater*innen austauschen kannst. Per E-Mail oder auch bei einem Treffen könnt ihr euch zu Themen wie dem Coming-out austauschen.  

Der Checkpoint Zürich (cpzh.ch) bietet professionelle Beratungsgespräche zu den Themen Geschlecht, Identität und Transition an.


 
 
 

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